ARTNOIR - Review Album "Life and Death of Frankie Trombone"

by David Spring

 

Etwas vom Schönsten an der Musik ist, wenn man neidlos eingestehen darf, dass man bisher völlig falsch lag. Eigentlich mag ich Country nicht. Doch siehe da, auf einmal finde ich eine Band aus dem Muotathal – woher auch sonst – und alles ist anders. Zugegebenermassen sind Dear Misses keine reine Country-Formation, sondern im Psychedelic Rock zu Hause. Ihr neustes Werk «Life And Death Of Frankie Trombone» jedoch sprüht nur so von Midwest-Feeling.

Dear Misses wollten dieses Mal alles etwas anders machen. Die neue Platte ist ein Konzeptalbum, welches das Leben des fiktiven Cowboys Frankie Trombone erzählt. Los geht es mit «A Life He Never Had», einer astreinen Country-Nummer inkl. Steel-Guitar und einer Wagenladung Schmalz. Für meinen persönlichen Geschmack fast etwas zu viel des Guten, doch schon das folgende «Leaving Town» verstrahlt mit knackigen Gitarren und einer Beatles-esken Mundharmonika so viel Charme, dass selbst ich mich auf diese Reise durch die Wüste freue.

Von da an wird es stetig abwechslungsreicher und Dear Misses bedienen sich sämtlicher Folk-, Americana- und Country-Subgenres. «El Coyote» ist düster und poppig und könnte gut aus dem nächsten Tarantino/Rodriguez-Western-Werk stammen, «Beat This Train» ist ein wilder Rock’n’Roll-Ritt mit Psychobilly-Einflüssen und «Silver Lake» könnte gut der dritten Led Zeppelin-Platte entsprungen sein. Abwechslungsreich sind auch die zahlreichen Stimmen und die unendlich vielen Instrumente und Geräuschmacher, die zum Einsatz kommen.

Zum Schluss dann spielen Dear Misses alles Dagewesene in den Schatten. Das zweiteilige «The Gates Of Death» ist todtraurig und unglaublich eindrucksvoll. Mit schwerer Stimme, wundervoll platzierten Dissonanzen und faszinierender Musikalität geht dieser Song direkt unter die Haut. Der bis dahin eher schwer zu greifende Frankie Trombone steht auf einmal direkt vor uns und wir werden Zeuge seiner letzten Tage. Das abschliessende «Requiem» fasst mit einer gänsehauterzeugenden Piano-Melodie und epischem Spannungsbogen alles zusammen.

Wahrlich eine faszinierende Platte, die hier in der Idylle des Muotathals erschaffen wurde. Dear Misses sind wahnsinnig kreativ und talentiert, die Songs machen Freude und strotzen nur so von Atmosphäre und Gefühl. «Life And Death Of Frankie Trombone» ist überzeugend, mitreissend und authentisch. Wer, wie ich, schon immer die Vermutung hatte, dass Country eigentlich gar nicht so schlimm sein kann, wird hier endlich den wohlklingenden Beweis dafür finden.

 

Zum Review


ARTNOIR - Review Album "Monster's Mother"

by Michael Bohli

 

Mit ihrem dritten Album legen Dear Misses aus Muotathal ein ziemlicher Brocken vor, schon fast vermutet man da eine Zusammenstellung der bisherigen Karriere. Aber nein, „Monster’s Mother“ ist gefüllt mit frischen Ideen und neuen Ergüssen, 19 Stücke voller Blues, Psychedelic und Garage Rock, ein Zeugnis der positiven Seiten der Isolation. Das meiste Material ist im Frühjahr 2020 geschrieben worden, als wir unseren Bewegungsradius einschränkten mussten. Diese Musiker reisten trotzdem, mit den Gedanken und Klängen.

„Monster’s Mother“ ist keine Gruselgeschichte, sondern eine Erzählung voller unterschiedlicher Stimmungen. „Exponential Growth“ wälzt sich auf dem staubigen Grund amerikanischer Städte, „Mr. Bombastic“ knabbert genüsslich am Rock’n’Roll, „Lucky Dreamer“ lädt zum Rodeo ein. Dear Misses lieben die klanglichen Wurzeln Nordamerikas und haben deren Rhythmen und Riffs zu uns in die Schweiz gebracht. Versetzt mit Indie- und Popstimmungen machen die Stücke Freude,„I Don’t Care Anymore“ darf als Befreiungsschlag mit Verzerrung angeschaut werden.

Sicherlich ist nicht jeder Moment gleich prägnant, das ist bei einer solchen Menge an Liedern schier unmöglich. Dear Misses beeindrucken durch Vielseitigkeit und lassen süsse wie bittere Bemerkungen vom Stapel, haben ihr Spielfeld ausgeweitet und wehren nörgelnde Kommentare mit einer lockeren Handbewegung ab. Perfektion und Ablösung von der Schweizer Herkunft? Muss nicht sein, „Monster’s Mother“ steht für die sprudelnde Kreativität in schwierigen Zeiten.

 

Zum Review